Projektziele

     
2.Weltkrieg
2.Weltkrieg
Vietnam
Vietnam 
Irak
Irak

Eine Nation, drei Kriege, viele Medienschauplätze: Lässt sich die Affektpoetik des US-amerikanischen Kriegsfilms mit Blick auf die politisch-historischen Kontexte und die Geschichte des Genres als Strategie der Mobilisierung von Gemeinschaftsgefühlen konzeptualisieren?

Im Projekt werden systematisch vergleichende Analysen verschiedener audiovisueller Darstellungen der Kunst, der Unterhaltungs- und der Informationsmedien durchgeführt. Hier geht es um die Frage, wie sich die Grundstruktur der Emotionalisierung über verschiedene Medienformate und Medienkonzepte hinweg vergleichen lässt. Dazu wird zunächst eine Affektpoetik des klassischen Hollywood-Kriegsfilms entwickelt. An diesem Genre lassen sich die Strategien emotionaler Mobilisierung durch die Inszenierung audiovisueller Bilder exemplarisch analysieren und darstellen. Über die Identifizierung dieser Grundmuster wird es außerdem möglich, deren Wechselwirkung mit den anderen Medienformaten zu bestimmen.    

Die zentralen Fragen des Projekts lauten:

Welche Rolle spielen die Inszenierungsweisen und ästhetischen Darstellungsmodi des Genrekinos für die Informationsmedien?
Welche Funktion kommt der Wechselbeziehung von Kriegsfilmen und Kriegsberichterstattung in audiovisuellen Medien zu?


Das Projekt arbeitet mittels filmanalytisch fundierter Vergleichsstudien und hat zum Ziel,

a.) eine Affektpoetik des Hollywood-Kriegsfilmgenres zu entwickeln, die dieses in der Dynamik seiner historischen Veränderungen beschreibbar macht
b.) zu prüfen, inwieweit sich die Interaktion von Kriegsfilmgenre und audiovisueller Kriegsberichterstattung als eine medienübergreifende Inszenierung eines „Bildes vom Krieg“ fassen lässt
c.) theoretisch zu klären, wie in den Modi ästhetischer Erfahrung, die sich mit der Inszenierung dieses Bildes vom Krieg verbinden, die Zuschauer in ihrem Selbstempfinden auf ein Gemeinschaftsgefühl bezogen werden
Merrill's Marauders    Full Metal Jacket
Jarhead  
Screenshots zu den drei Kriegen, die in sich auf Zirkulation verweisen
Bild 1 aus MERRILL'S MARAUDERS
Bild 2 aus FULL METAL JACKET
Bild 3 aus JARHEAD

 

Dazu sollen in drei vergleichenden, filmanalytisch fundierten Studien die Inszenierungsweisen und ästhetischen Wirkungsstrategien audiovisueller Kriegsdarstellung untersucht und theoretisch bewertet werden:

Der klassische Kriegsfilm bezieht sich explizit auf die Bilder der Newsreels, die selbst in den gleichen Kinos gezeigt wurden, während diese und die Filmreportagen zum Zweiten Weltkrieg ihrerseits mit den affektdramaturgischen Mustern des Genrekinos operieren. Die Inszenierungsweisen und damit auch der Bezug auf mediale Gemeinschaftsbindung verändern sich angesichts der Tatsache, dass der Vietnam-Krieg maßgeblich durch das Fernsehen und erst nachträglich im Kino vermittelt wurde. Auch der gegenwärtige Kriegsfilm zu den Konflikten in Irak und Afghanistan interagiert in seinen audiovisuellen Strategien mit der Affektdramaturgie des klassischen Genres einerseits und mit der Ästhetik der Fernsehbilder und der im Internet kursierenden Masse an Videos andererseits.  

Zweiter Weltkrieg
Vietnam
Irak


Genrekino
Newsreel
Fernsehen
Internet



Affektpoetik und Genresystem

Als erstes war zu überprüfen, ob sich die Affektpoetik des Kriegsfilmgenres als ein konsistentes Muster von Affektskripten und Wirkungsstrategien fassen und beschreiben lässt. In umfassenden Sichtungen, vielen Diskussionen und Versuchsreihen haben wir an Konzepten gearbeitet, wie man die Elemente eines solchen Musters definiert, welche Standardmomente des Genres wir als dessen Elemente zusammenfassen können.
An einem exemplarischen Korpus von Hollywood-Kriegsfilmen – von 1942 bis heute –, mit dem das Genre in seiner historischen Entwicklung repräsentiert ist, haben wir folgende heuristischen Thesen erarbeitet:

Genre

1.) Das klassische Kriegsfilmgenre ist durch eine relativ geringe Anzahl stereotyper Handlungs- und Figurenkonstellationen beschreibbar, denen eine grundlegende funktionale Stellung innerhalb der wirkungsästhetischen Strategien der emotionalen Mobilisierung zukommt.



Zuschauergefühle
Ausdrucksbewegung

2.) Die Standardszenen lassen sich einerseits durch Handlungskonstellationen (Sterbeszene, Kampfszene, Heldentat etc.) abgrenzbaren Affektbereichen zuordnen (z.B. Trauer, Kampflust, Angst, Zorn etc.) und andererseits aktivieren sie diese Affektbereiche durch audiovisuelle Ausdrucksfigurationen (gestisch-mimische Figuration, räumliche Muster, akustische Gestaltung, Montage etc.).



Pathosszenen

3.) In diesem Sinne sind die Standardszenen als grundlegende Pathosformen des Kriegsfilmgenres zu begreifen und als Pathosszenen zu bezeichnen.



Affektpoetiken

4.) Die zeitliche Anordnung der Pathosszenen gestaltet die Grundstruktur der emotionalen Mobilisierung im Kriegsfilm. Die historischen Kontexte lassen sich präzise in der Variation bzw. der Auflösung dieser Pathosformen und Affektdramaturgien ablesen.


Die einzelne Pathosszene aktiviert nicht nur einen bestimmten Affektbereich wie zum Beispiel „Angst“ als konkret sinnliches Erleben der audiovisuellen Ausdrucksfigurationen. Sie steht in Bezug zu den Affektbereichen die ihr vorangehen und auf sie folgen. Wenn wir nach Affektdramaturgien fragen, dann interessiert uns, ob der Zuschauer sich zuerst allmächtig fühlt und dann in Angst verfällt oder ob er umgekehrt, die Angst überwinden lernt. Auf diese Art können die Filme zur Gänze als eine dynamische zeitliche Anordnung wechselnder Affektwerte beschrieben werden. Denn genau darin kann sich zeigen, was für eine Wirkungsabsicht der Film verfolgt, ob er für den Krieg begeistern oder ermahnen und erinnern will.

In der vergleichenden Analyse der Ausprägungen und Anordnungen dieser Pathosszenen lassen sich sowohl historische Veränderungen in der emotionalen Ansprache der Zuschauer rekonstruieren als auch die Wechselwirkungen mit den Nachrichten- und Unterhaltungsmedien genau bestimmen. Auf diese Weise wird das Genre des Kriegsfilms als ein medienübergreifendes System beschreibbar, das andauernd daran arbeitet, geteilte Gefühlseinstellungen zu organisieren.

Die Methode

Das Projekt arbeitet mit einem standardisierten Verfahren zur Analyse audiovisueller Ausdrucksqualitäten, dem eMAEX-System. Im Mittelpunkt steht die deskriptive Analyse der spezifischen Zeitlichkeit und Bewegungsdimension audiovisueller Bildinszenierungen, deren Ergebnisse mittels einer standardisierten Beschreibungsmethode auch für empirische Fragestellungen der Psychologie, der Sprach- und Sozialwissenschaft zugänglich gemacht werden können. Zu diesem Zweck wurden multimediale Präsentations- und Beschreibungsinstrumente auf der Basis netzgestützter Informationssysteme entwickelt. Die Ergebnisse der Analysen werden in einer multimedialen Datenbankstruktur eingebettet und zugänglich gemacht.

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Bildnachweis Bild 1 - 3: Stills aus FIXED BAYONETS, Samuel Fuller, USA 1951; FULL METAL JACKET, Stanley Kubrick, USA 1987; GENERATION KILL, Susanna White & Simon Cellan Jones, GB & USA, 2008

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