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4.2 Paare, Gruppen, Produktionsverhältnisse


Vor dem Hintergrund dieser Problematik bildet der Anfang von WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE, genauer gesagt die erste Viertelstunde des Films, ein geeignetes Material, an dem sich die inszenatorischen Operationen verfolgen lassen, die das Bild der Gruppe als eine mediale Wahrnehmungsform entstehen lassen.

Der Film beginnt mit einem Prolog: Man sieht den Fassbinder-Freund und Regisseur Werner Schröter, der eine aberwitzige

Comicgeschichte erzählt. Der Prolog funktioniert wie eine Einstimmung. Er justiert jenen Nullpunkt der schauspielerischen Darstellung, an dem die Zuschauer einen Schauspieler sehen, der improvisierend nach den nächsten Worten sucht, bis er schließlich unsicher abwartend in die Kamera blickt, so als würde er auf einen Hinweis warten, der ihm das Ende seines Auftritts zu erkennen gibt.


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WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE. Rainer Werner Fassbinder, BRD 1971
 (1. bis 3. Minute)

Nullpunkt der schauspielerischen Darstellung


Mikrodramaturgie der Blickachsen


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WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE. Rainer Werner Fassbinder, BRD 1971
 (3. bis 4. Minute)

Ein populäres Musikstück setzt ein: Im Umschnitt sehen wir zwei Frauen, Babs, das Scriptgirl (Katrin Schaake), und Billi, die Maskenbildnerin (Monika Teuber). Ihre Blicke, konzentriert beobachtend, weisen auf einen Raum außerhalb des Bildkaders. Offenbar reden sie über ein anderes Paar, das sie fest ins Auge fassen: "Sieh mal, wie der Feuer gibt." Im Umschnitt sieht man zwei Männer, deren Blicke ineinander verschränkt sind, wie die Gesten, mit denen sich der eine vom anderen Feuer geben lässt (Marquard Bohm als der Schauspieler Ricky und Herb Andress als Coach). Die Blickachse der Frauen ist so ausgerichtet, dass sie rechtwinklig die Linie schneidet, auf der das Männerpaar in Profilansicht angeordnet ist. Wieder sehen wir die beiden Frauen – die eine lehnt sich im Sessel zurück, nun ihre Gesprächspartnerin fixierend, die gedankenverloren mit ihren Locken spielt; sie scheint gebannt vom Anblick der zwei Männer außerhalb des Bildes; nun formen die
Blickachsen innerhalb der Einstellung den rechten Winkel.


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Bildergalerie
Stills aus WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE. Rainer Werner Fassbinder, BRD 1971

Abfolge und Anordnung der Blickachsen



Ein Umschnitt: Wir sehen Fassbinder in der Rolle des Herstellungsleiters Sascha und Scheydt als Produzent Manfred. Sascha brüllt ins Telefon, während ihn Manfred beobachtet. Wieder treffen die Blickachsen im rechten Winkel aufeinander. In der Folge wird diese geometrische Figur immer neu

variiert: Zwei ineinander verschränkte Blicke bilden eine Line, die im rechten Winkel von einem außen liegenden Blick geschnitten wird, dann wiederholt sich diese Anordnung innerhalb einer Einstellung.


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WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE. Rainer Werner Fassbinder, BRD 1971
 (4. bis 7. Minute)

Variationen einer
geometrischen Figur


Hinzutreten von Bewegungslinien


Die Abfolge der im strengen Winkel aufeinander bezogenen Blickachsen artikuliert eine Spannung, die sich sehr bald als disharmonisches Geflecht darstellt: Der eine fasst den anderen scharf ins Auge, während dieser sich selbst nicht angesehen weiß. Dann tauchen Figuren auf, deren Gänge diese Spannung in Bewegungsachsen übersetzen. Auch die Bewegungsachsen folgen dem gleichen Prinzip: Mal schneiden sie einander in dynamisch rechten Winkeln, mal sind sie wie die ineinander

versenkten Blicke gegenläufig angesiedelt, mal führen sie einander wie im Staffetenlauf fort. Es gibt keinen Mastershot, keinen vorgegebenen Raum. Vielmehr setzt sich nach und nach ein Bewegungsbild zusammen: lose gefügte Ausschnitte, einzelne Figuren, Paare im Gespräch, die durch die Anordnung der Blickachsen und die Bewegungslinien der Gänge miteinander verbunden sind.  


Entstehung eines Bewegungsbildes


Schließlich kommt als letztes Element die Bewegung der Kamera hinzu. Sie folgt zunächst den Gängen der Figuren, um sehr bald zu einer eigenen autonomen Bewegung zu finden, die ihr eine massive Präsenz verleiht. Noch bevor für die Zuschauer ein Handlungsort greifbar wird, entsteht das Diagramm eines Beziehungsgeflechts.
Das erste Musikstück endet, ein ganz und gar unrealistisches Geräusch von Meereswellen und Brandung setzt ein. Immer wieder wird diese Geräuschkulisse zu hören sein, wenn zwischen zwei Musikstücken (die fast alle ganz ausgespielt

werden) ein Moment der Stille entsteht. Uli Lommel, der Best Boy des Teams, hat seinen Auftritt. Seine Schritte fügen sich in die ausklingende Musik wie der Rhythmus eines Stepptanzes. Sie beschreiben ein Halbrund, das die Kamera in einer Seitwärtsbewegung nachzeichnet. Der Raum erweist sich als ein weites Rund, das durch Säulen im Vordergrund und bodentiefe Fenster im Hintergrund streng gegliedert ist. Lommel erreicht die Figurengruppe am Tresen. In der Passage des Schauspielers schließen sich die verschiedenen Elemente der Raumgebung zu einem Bewegungsbild zusammen.  


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